EINE ZUKUNFT FÜR CHRISTEN IM NORDIRAK

Von Dr. Philipp W. Hildmann, Hanns-Seidel-Stiftung

Vizepräsident Singhammer informiert sich über die Lage in der Ninive-Ebene

Auch nach der Vertreibung des selbsternannten Islamischen Staates aus den Städten Mosul und dem 63 Kilometer westlich gelegenen Tal’Afar bleibt die Situation der Christen im Nordirak angespannt. Mit Sorge blicken die Christen des nördlichen Irak in die Zukunft. Seit längerer Zeit verfolgen sie deshalb ein großangelegtes Projekt. Ihr Ziel ist die Gründung einer eigenen autonomen Provinz in und um die sogenannte Ninive-Ebene im Nordirak, um die Zukunft der christlichen Suryoye (unter diesem Oberbegriff werden die Chaldäer, Assyrer und Aramäer zusammengefasst) sowie der religiösen Minderheiten der Yeziden und Turkmenen in der Region dauerhaft zu sichern. Das Vorhaben beruht auf der irakischen Verfassung, die dieses Projekt ausdrücklich zulässt. Dabei bezeichnen sowohl die irakische Zentralregierung in Bagdad als auch die Regierung der Autonomen Region Kurdistan in Erbil die Ninive-Ebene als „disputed Area“, als umstrittenes Gebiet.

Ninive-Ebene: Umstrittenes Gebiet

Dies ist insofern von aktueller Brisanz, als Masoud Barzani, der das Amt des Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan mittlerweile im zwölften Jahr ausübt, für den 25. September 2017 ein Referendum angekündigt hat, bei dem die irakischen Kurden einschließlich der Bewohner der „disputed Area“ über die Errichtung eines eigenen Staates abstimmen sollen. Ein solches Referendum war schon einmal für 2014 angesetzt, dann aber nach Gesprächen mit der Zentralregierung in Bagdad wieder abgesagt worden. Im Falle eines positiven Votums im September wären die Ninive-Ebene und weitere Gebiete damit künftig Teil eines eigenständigen kurdischen Staates. Im Vorfeld hat die kurdische Regierung bereits angekündigt, der Provinz Ninive auch im Kontext eines eigenständigen Kurdenstaates weitgehende Autonomie zuzugestehen. Ob dies aus wahltaktischen Gründen erfolgte, um insbesondere die religiösen Führer für ein zustimmendes Votum beim Referendum zu gewinnen, oder aus innerer Überzeugung, bleibt abzuwarten und wird sich am Ergebnis messen lassen müssen.

Sicherheit: Voraussetzung für Wiederaufbau

Für die Suryoye ist in der gegenwärtigen Entwicklung zumindest das Ziel eindeutig definiert: Eine autonome Provinz Ninive, in der sich die Christen, aber auch die religiösen Minderheiten der Yeziden und Turkmenen ohne Angst vor Diskriminierung in Sicherheit wieder entfalten und eine Zukunft haben können. Ob diese Provinz künftig an Bagdad oder Erbil hängt, ist für sie zweitrangig, solange ihnen die nötigen Rechte gewährt werden. Von zentraler Bedeutung ist dabei natürlich auch die Sicherheitsfrage, die einen zentralen Faktor für den Wiederaufbau der IS-Zerstörungen und eine Rückkehr der geflohenen Menschen in ihre Heimat darstellt.  

Johannes Singhammer, Vizepräsident des Deutschen Bundestages, ließ sich am 4. September 2017 aus erster Hand über die aktuelle Situation vor Ort und das Projekt einer autonomen Provinz Ninive informieren.

Zukunftsprojekt “Ninive”

Auf Vermittlung der Hanns-Seidel-Stiftung empfing er Metin Rhawi und Mesut be Malke von der 2004 gegründeten “European Syriac Union” im Deutschen Bundestag. Dieser Dachverband mit Hauptsitz in Brüssel und Dependancen in verschiedenen europäischen Ländern ist seit vielen Jahren der Hauptmotor zur Beförderung dieses Ninive Projekts, um den Christen eine Zukunft in Sicherheit im Nordirak zu ermöglichen. Johannes Singhammer zeigte sich äußerst interessiert an diesem „Zukunftsprojekt“.

Er diskutierte mit den beiden Verantwortlichen der „Euopean Syriac Union“ darüber hinaus aber auch ganz konkrete Schritte, um geflüchteten Christen wieder zeitnah, eventuell sogar mit deutscher Unterstützung, eine Rückkehr in ihr stark zerstörtes Stammland zu ermöglichen.  Das Zeitfenster ist klein. Dementsprechend hoch ist der Druck auf alle Beteiligten, so rasch als möglich tragfähige Lösungskonzepte zu finden.

Das Projekt einer autonomen Provinz Ninive könnte hier einen wichtigen Schritt in die Zukunft markieren. Die Alternative wäre nach Stand der Dinge ein weiteres Abwandern von Christen aus der Region und damit letztlich das Ende einer jahrtausendealten Kultur.